Aktuell
„Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze
Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie
eine Blume und fällt ab, flieht wie ein
Schatten und bleibt nicht. Doch du tust deine
Augen über einen solchen auf, daß du mich vor
dir ins Gericht ziehst. Kann wohl ein
Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer!
Sind seine Tage bestimmt, steht die
Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein
Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann:
so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe
hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.“
Hiob 14,1-6
Liebe Geschwister und Freunde!
Wir
erinnern uns, dass Hiob ein reicher und zugleich gottesfürchtiger Mann war,
der seine Reichtümer und seine Familie durch harte Schicksalsschläge verlor,
danach auch noch seine Gesundheit, so dass ihn schmerzende Geschwüre überall
auf seinem Körper quälten, und er dennoch im Glauben an Gott festhielt.
Überdies kam noch seine Frau zu ihm und sagte: „Hältst du noch fest an
deiner Frömmigkeit? Sage Gott ab und stirb!“ (Hi 2,9). In welch einer
verzweifelten Lage muss Hiob gewesen sein, dass selbst seine Frau sich gegen
ihn stellte? Er war der festen Überzeugung, dass er nichts Unrechtes getan
hatte, sondern ohne Tadel vor Gott gelebt hatte. Hiob begann zu klagen und
nach dem Sinn seines Lebens zu fragen (Hi Kapitel 3).
Eine tiefe Depression überfiel Hiob. Er musste Leben, aber alles an seinem
Leben war auf einmal unerträglich schlimm. Hatte er bis dahin in
Gottesfurcht unter dem sichtbaren Segen Gottes gelebt, so schien es nun, als
hätte sich Gott gegen ihn gestellt. Vieles von dem, was bisher sein
Verständnis von Gott und der Welt ausgemacht hatte, war innerhalb weniger
Stunden zusammengebrochen. Dennoch wird er in Hesekiel 14 zusammen mit Noah
und Daniel als Vorbild der Glaubensgerechtigkeit genannt. Da stellt sich für
uns die Frage: Was lernen wir aus dem Erleben und den Worten Hiobs?
Hiob erinnert uns zunächst an unsere Vergänglichkeit. Verglichen mit der
ganzen Weltgeschichte ist das Leben des Einzelnen eine kurze Zeitspanne, und
im Vergleich mit Gott, der ewig lebt, ist es wirklich nur wie ein flüchtiger
Schatten. Dies einzusehen, ist auch die Bitte von David in Ps 39. Die
Vergänglichkeit unseres Lebens empfinden wir schlussendlich alle, wenn uns
bewusst wird, dass die Zeit unseres Lebens unerbittlich abläuft.
Bedenken wir als nächstes, dass dem Leiden Hiobs zwei Gespräche zwischen
Gott und dem Satan vorausgingen, von denen Hiob nichts wusste. So erlebt er
sein Geschick ganz aus menschlicher Sicht. Er weiß nicht, dass sein Unglück,
das ihm widerfahren ist, eine Prüfung ist, die lautet: Wird Hiob an Gott
festhalten? Wird er den Glauben an Gott bewahren und sein Vertrauen trotz
allem auch weiterhin auf Gott setzen? Oder wird er seine Zuversicht auf Gott
fahren lassen und Gott absagen?
Hiob bestand diese Prüfung, Als ihn die Verlustbotschaften erreicht hatten,
war seine Reaktion: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen; der
Name des Herrn sei gelobt.“ Seiner Frau antwortete er: „Haben wir Gutes
empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ Hier zeigt
sich, wie sehr die Einsicht in das souveräne Handeln Gottes sein Bewusstsein
prägte. Was mit ihm geschah, konnte Hiob nicht verstehen. Es stand jenseits
seiner Berechenbarkeit. Es war für ihn vollkommen unverständlich, warum Gott
ihn, den Frommen, den Gläubigen und Gottesfürchtigen, so sehr plagte. Daran
hätte er irrewerden können. Doch weil er an die Souveränität Gottes glaubte,
konnte er sein Leiden annehmen und geduldig ertragen, so wie Gott es lenkte.
Ferner erinnert uns die Geschichte Hiobs daran, dass Gott auch mit dem Bösen
seine Ziele verfolgt. Seine Wege sind nicht sinnlos, auch wenn sie als
solche und vielleicht zutiefst abgründig und widersinnig erscheinen. So ist
auch das Ergehen Hiobs eine Offenbarung Gottes. Sie kann wie bei Hiob sehr
schmerzlich sein. Aber sie hat doch ein gutes Ende, wie wir wissen. Am Ende
des Buches Hiob sehen wir, wie Hiob vor Gott schweigt. Er erkennt, dass er
mit Gott nicht rechten kann, weil Gott viel größer ist, und lernt, dass die
Gedanken Gottes höher sind als die Vernunft des Menschen.
Indem Gott Hiob seine Herrlichkeit vor Augen stellt, macht er ihm deutlich,
dass er keinem seiner Knechte verpflichtet ist. Er ist ihnen aber gnädig. Er
vergibt ihre Sünden, ohne dass sie es mit ihrer Gottesfurcht verdienen.
Darum konnte Hiob am Ende bekennen: „Ich hatte von dir nur vom Hörensagen
vernommen. Aber nun hat mein Auge dich gesehen“ (Hi 42,5). Auf diese Weise
machte Gott wahr, was Paulus im Römerbrief ausgesprochen hat, nämlich "dass
denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen" (Röm. 8,28). Ja, Gott
überlässt uns, die wir in Christus seine geliebten Kinder sind, nicht dem
normalen Lauf der Welt. An unserem Leben nimmt er besonderen Anteil.
Schließlich nennt uns das Buch Hiob noch einen Grund für Hiobs Leiden, den
er selber nicht erfährt. Die Ursache seines Unglücks liegt nicht bei Gott,
sondern bei Satan, der seine Gerechtigkeit und seinen Gehorsam (Hiob 1,8;
2,3) zerstören und ihn von Gott trennen will (Hiob 1,11; 2,5). Gott ist also
niemals der Urheber des Bösen! Die Bewährung Hiobs besteht darin, dass er
sich weder durch sein vom Satan bewirktes Leiden noch durch die Worte und
Urteile seiner Freunde von Gott abwenden lässt. Nach bestandener Prüfung
trat die Wende in seinem Ergehen ein, ein sichtbarer Beweis dafür, dass Gott
seine Kinder nur so lange dem Unglück aussetzt, bis er sein Gnadenziel mit
ihnen erreicht hat. So wurde Hiob zu einem noch angeseheneren Mann als er es
vorher gewesen war, ein Beispiel für das fürsorgliche Handeln Gottes auch
mit uns nach seinem Gutdünken in unserer Lebenszeit.
Eine entscheidend wichtige Frage bleibt uns noch aufgrund unseres Textes:
Ist auch Hiob in seinem Leiden, über dem das geheimnisvolle Walten Gottes
lag, hinsichtlich seines tadellosen Lebenswandels gerechtfertigt, so ist ihm
doch die allgemeine Sündhaftigkeit der Menschheit bewusst ("Kann wohl ein
Reiner kommen von Unreinen?"), an der er ja auch teilhat, verbunden mit den
Folgen von Elend und Vergänglichkeit. Mit seinem Leiden, bei dem er sich
schuldlos weiß, ist dieses Problem nicht gelöst. Dieses Problem konnte nur
dadurch gelöst werden, dass der Sohn Gottes, unser Herr und Heiland an
unserer statt im Gericht den Tod erlitten hat, um unsere Sünde zu sühnen.
Erst in seiner Auferstehung wird das neue, ewige Leben offenbar. Was im
Alten Testament noch verhüllt war – das Neue Testament bietet Gottes Antwort
auf die Vergänglichkeit des Menschen.
Und
so spricht Hiob in aller Klarheit an anderer Stelle von der Auferstehung
Jesu. Er sagt: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er
über dem Staub sich erheben“ (19,25). Mit diesen Worten sieht Hiob auf Gott,
und er weiß, dass Gott schlussendlich den Sieg über alle Ungerechtigkeit
davontragen wird. Die entscheidende Antwort auf alles Böse in der Welt ist
also darin gegeben, dass Jesus Christus auferstanden ist und Sünde, Tod und
Teufel besiegt hat. Seine leibliche Auferstehung ist die Garantie dafür,
dass auch wir leiblich auferstehen werden. Erst dann wird Gott für immer
alle Not wenden, wenn er uns teil gibt an der neuen Schöpfung, und wir in
ewiger Freude vor ihm leben dürfen in der himmlischen Herrlichkeit, sei es,
dass uns der Herr im Sterben heimholt oder seine Gemeinde entrückt. Das
alles haben wir dem Opfertod unseres Herrn am Kreuz zu verdanken, der dort
stellvertretend für unser aller Sünden gelitten hat. Ihr Lieben, richtet
eure Herzen nicht auf das Irdische, sondern auf das, was droben ist; denn
was auf Erden ist, "fressen die Motten, und die Diebe brechen ein und
stehlen es" (Mt. 6,19); dort aber im Himmel sind alle Freuden ewig und
unverwelklich. Hiob veranschlagte das irdische Wohlergehen nicht als das
höchste Gut. Der Trübsalspfad ist der Weg zur himmlischen Heimat. Unter
dieser Perspektive können wir auch alles Leid, welches uns widerfahren mag,
ertragen.
Herzliche Segenswünsche
Euer / Ihr
Frank Bernhardt